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Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848)
 
Herr Witte, nach dem traurigen Abschied von Mamsell Wernekink
 
 
Klagt ihr Enten, weint ihr Schruten
Euch die klaren Äuglein rot
Und zerschmilz in Tränenfluten
Du geliebtes Butterbrod
Weh! Sie hat sich mir entrissen
Ließ die Lippen Schmerz verwirrt
Ihre Spuren nur zu küssen
Wenn der Weg erst trocken wird
 
Seh nicht mehr das kalte Fieber
Auf der Wange zarten Grün
Nicht am Tisch mir gegenüber
Rosenfarbne Äuglein glühn
Wie sie sonst die Holde Gute
Weilte in der Gallarie
Steh ich nun in trüben Mute
Schruthuhn mir als Kompanie
 
Ists erlaubt sich tot zu kränken
Sollt ihr sehn was Liebe ist
Doch ich will mich noch bedenken
Denn ich bin ein guter Christ
Weh mich hält in starren Banden
Schon des Todes kalter Hauch
Meine Farbe wird zu schanden
Und von dannen flieht mein Bauch
 
Herze mein! kannst du's ertragen
Wie dich Pflicht und Leben ruft
Soll dich einst vor Gott verklagen
Deiner Seufzer dicke Luft
Darfst du dich ums Leben bringen
Durch selbst eigne Traurigkeit
Nein auch ich kann mich bezwingen
Wenn es meine Pflicht gebeut
 
Trotzen will ich nun dem Tode
Wo dem Schnitt der Braten sinkt
Grämen kommt doch aus der Mode
Was man ernstlich will gelingt
Vier mal dicker will ich schneiden
Schmieren sieben mal so nett
Will das Herz in Butter kleiben
Und den Geist in Schinkenfett
 
Klagt ihr Gänse weint ihr Schruten
Euch die klaren Äuglein rot
Und zerschmilz in Schmerzens Gluten
Du Geliebtes Butterbrod
Tröpfle in Zähen Tränen Bächen
In den Gram erfüllten Mund
Will mein armes Herze brechen
Schmier dies wiederum gesund
 
 
Zitiert nach:
Annette von Droste-Hülshoff: Sämtliche Werke, Band 1. Hrsg. von Bodo Plachta und Winfried Woesler. Frankfurt am Main: Deutscher Klassiker-Verlag, 1998 (2. Auflage), S. 626 f.